Johann Sebastian Bach
Das Lautenwerk (BWV 995-1000 & 1006A)
2012 spielte Stephan Stiens
die kompletten Lautensuiten Johann Sebastian Bachs in einer
Fassung für Gitarre ein. Eine Reise in Bachs Kosmos ...
Sonaten und Partiten für Violine
solo
1994 spielte Stephan
Stiens für das Label academica als Gesamtersteinspielung
Bachs Violinsonaten und -Partiten in einer Fassung für
Gitarre ein.
Ein ungewöhnliches Projekt konnte Stephan Stiens im Bach-Jahr
2000 in der Münchner Lukas Kirche realisieren. Die
Kontrastierung Bachscher Werke mit Zeitgenössischer Musik.
Die Kunst der Fuge
Im Jahr 1747 begann J.S. Bach mit der Arbeit an einem groß
angelegten Fugenzyklus, dessen Urthema, in all seinen
Varianten quasi Keimzelle des Werks, ihn zu einem
einzigartigen musikalischen Kosmos inspirierte.
Die Umstände, angefangen bei Bachs Tod vor der Fertigstellung,
der fehlenden instrumentalen Widmung, der ungeklärten Fragen
hinsichtlich der Reihenfolge und nicht zuletzt der vom
Komponisten in der letzten unvollendet gebliebenen Fuge,
angebrachte Namenszug B-A-C-H, führten zu Legendenbildung, und
in ihrer Summe zu einem unvergleichlichen, musikalischen
Mythos.
Die Interpretationsgeschichte der KUNST DER FUGE kennt u.a.
Aufführungen auf dem Cembalo, der Orgel, durch Orchester und
Streichquartett, Blockflöten- und Saxophonquartette, rein
vocal und nun zum ersten Mal durch ein Gitarrenensemble.
Die von Manfred Fleischmann erstellte Fassung, wurde vom
Ensemble GUITAR COMPANY
unter der Leitung des Münchner Gitarristen Stephan Stiens zu
einer Erstaufführung gebracht.
Hörbeispiele: Contrapunctus
1
(♫ 4:08), Canon
per
Augmentationem in contrario motu (♫ 1:43)
Über die Kunst der Fuge
von Stephan Stiens aus Anlass ihrer Aufführung in der
Fassung für Gitarrenensemble im April 2006
Uns allen ist der Kanon ein Begriff. Der älteste erhaltene Kanon
ist der sogenannte englische „Sommerkanon“, der aus der Abtei zu
Reading stammt. Er dürfte um 1260 entstanden sein. Es folgten im
14. Jahrhundert die französische „Chasse“, und die italienische
„Chaccia“. Beide mit Jagdszenen im Text mit sinnbildlicher
Beziehung zum Fliehen und Verfolgen der Kanonstimmen. Die
Satztechnik und die Stücke werden auch lateinisch „Fuga“ –
Flucht – genannt. In seiner Hochphase im 15. und 16. Jahrhundert
galt der Kanon als besonderes Zeichen kompositorischen Könnens.
Was nun folgt ist ein gedanklicher Zeitsprung vom 13. in das 20.
Jahrhundert. Vom englischen „Sommerkanon“ zur Uraufführung von
J.S.Bachs DIE KUNST DER FUGE. Sie fand am 26. Juni 1927 in der
Thomaskirche in Leipzig statt, mehr als 170 Jahre nach Bachs
Tod.
Mit dieser Aufführung wurde das bedeutendste Werk kanonischen
Komponierens für das Klangleben unserer Zeit wiedergewonnen. Aus
diesem Grund hat der Bach-Forscher Walter Kolneder das Werk als
„Mythos des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet. Man geht heute davon
aus, dass Bach um 1747, also 3 Jahre vor seinem Tod mit der
Arbeit an diesem groß angelegten Fugenzyklus begonnen hat. Ihm
liegt eine einzigartige Idee zugrunde, nämlich aus einem Thema
das musikalische Material für ein ganzes, in der uns
vorliegenden Fassung 20 Einzelstücke umfassendes Werk zu
entwickeln. Eine Idee, die daran erinnert, dass der deutsche
Komponist Karlheinz Stockhausen die Musik zu seinem
Musiktheaterzyklus „Licht“ aus einer musikalischen Superformel
entwickelte.
Bach schuf auf der Grundlage der Kanonfuge und der daraus von
ihm zu höchster Kunst geführten Fugen und Variationstechnik, ein
Werk von unerhörter Dichte. Der musikalische Kosmos der 20 Fugen
und Kanons spiegelt dabei die gesamte Kompositionserfahrung und
nicht weniger wichtig, Lebenserfahrung des alten Meisters Bach
wider. Ohne äußerlichen Anlass oder gar Auftrag komponiert,
wurden zu seinen Lebzeiten 11 der 20 Titel gedruckt, der Rest
fand sich als Manuskript im Nachlass, wobei die letzte Fuge
unvollendet vorgefunden wurde. Die Umstände, angefangen bei
Bachs Tod vor der Fertigstellung, der fehlenden instrumentalen
Widmung, der ungeklärten Fragen hinsichtlich der Reihenfolge,
und nicht zuletzt, der vom Komponisten in der letzten,
unvollendet gebliebenen Fuge, im neu vorgestellten Thema
angebrachte Namenszug B – A – C – H, diese Umstände führten zu
Legendenbildung, und in ihrer Summe zu einem unvergleichlichen,
musikalischen Mythos.
Zwei Begriffe können helfen dem Wesen dieser Musik näher zu
kommen. Zum einen ist es das Wagnis der Rückhaltlosigkeit, und
zum anderen das Wagnis der Freiheit. Den ersten Begriff hat Hans
Heinz Stuckenschmid im Zusammenhang mit dem Werk von Arnold
Schönberg und der daraus resultierenden musikalischen Revolution
geprägt.
Auch Bach arbeitete ohne Rückhalt: Kein Auftrag, kein
Aufführungstermin, das Komponieren von Kanons und Fugen galt zu
dieser Zeit schon als altmodisch und verzopft, ja nicht einmal
die Zuschreibung an ein oder verschiedene Instrumente war ihm
wichtig, was zählte, war einzig und allein der innere
Schaffenswille – rückhaltlos. Besonders berührt, auf welchem Weg
Bach zu musikalischer Freiheit gelangte. Im nur scheinbar
gegensätzlichen Ineinanderfügen von strenger Form – Kanon – Fuge
– und grenzenloser musikalischer Fantasie und Gestaltungskraft.
Stellvertretend seien hier zwei Titel erwähnt: Der Contrapunctus
Nr. 8 und der Canon alla Decima Contrapuncto alla Terza. Der
Contrapunctus 8 ist nur für 3 Stimmen geschrieben, eine
Beschränkung der äußeren Mittel. Ausgangspunkt sind zwei neue
Themen, chromatisch geprägt und das variierte Hauptthema. Ein an
Beethoven gemahnendes, wütendes bildhauerisches Abarbeiten an
den Themen verbindet sich scheinbar mühelos mit Mozartischer
Leichtigkeit in den Melodien der Zwischenspiele zu einem Satz
von bestürzend moderner rastloser Expressivität. Im Gegensatz zu
strengster Kanonform, für zwei Instrumente, hochartifizierter
Rhythmik und einer wie frei schweifend wirkenden Melodik,
gelangt Bach im Canon alla Decima Contrapuncto alla Terza zu
einem ebenso modern wirkenden Aussage. Mobileartig miteinander
verbunden, scheinen die Töne frei im Raum zu schweben.
Bachs fehlende instrumentale Zuschreibung führte in der
Aufführungspraxis zu unterschiedlichen Lösungen. So kennt die
Musikgeschichte Aufführungen in diversen Besetzungen, natürlich
an Orgel und Cembalo, durch Streichquartette und nun eben auch
durch ein Gitarrenensemble. Bachs Reise in die reine Welt der
Töne und ihre Beziehung zu einander, lädt uns zum Hören und
Verweilen ein.