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"... eine beachtliche und mutige CD. Eine starke Leo Brouwer-Interpretation und auch alles für den Liebhaber romantisch interpretierter Gitarrenmusik ..."

Musikjournal 1990





CD Duo Ruth Fischer & Stephan Stiens

1990 | academica | 18 € | CD bestellen

Das starke Interesse an der Konzertgitarre und ihre zunehmende Akzeptanz im Konzertleben haben in den letzten Jahren eine intensive Beschäftigung mit der Geschichte der Gitarre des 19. Jahrhunderts mit sich gebracht.
Hierbei wurden zum Teil vergessene Komponisten und ihre Werke wiederentdeckt, die von der Blüte und der hohen Spielkultur der Gitarre in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zeugen.

Zum Kreis um den wichtigsten Komponisten und Gitarristen dieser Zeit, Fernando Sor, gehörte auch Napoléon Coste, 1805 im Departement Doubs geboren und 1883 in Paris gestorben, fand Coste früh Anerkennung als Gitarrist und Lehrer.
Das Grand Duo ist sein bedeutendstes Werk für zwei Gitarren. Es steht den Vorbildern in dieser Gattung, den Duos von Sor nahe, trägt aber im Virtuosen durchaus eigene kompositorische Handschrift (♫ 1:25).

Der zweite Exponent der „klassischen Gitarre“ ist der 1781 in Italien geborene Mauro Giuliani. Als junger Mann ging Giuliani nach Wien, wo er eine richtige Gitarrenmode bewirkte. Die intime Kennerschaft des Instruments und seiner Möglichkeiten, handwerkliches kompositorisches Können und nicht zuletzt sein virtuoses Spiel, versetzten das Wiener Publikum in Begeisterung. Dies taten wohl auch die sechs Rossini-Paraphrasen opus 119-124, in denen Giuliani Themen des großen Opernkomponisten auf gitarristisch glänzende Weise variiert.
Giuliani, der 1829 starb, verkörpert den Typen des kompositorischen Gitarristen, ähnlich wie in unserer Zeit der Kubaner Leo Brouwer, geboren 1939. Bei ihm scheint sich aber der Schwerpunkt seiner Arbeit in den Bereich Komposition verlagert zu haben. Sein Œuvre umfasst Werke der verschiedensten Gattungen, von Etüden bis hin zu Orchesterwerken (♫ 3:23).

In dem 1973 komponierten Per Suonare A Due für zwei Gitarren integriert Brouwer auf ganz eigene Weise sehr gegensätzliche musikalische Elemente. Scheinbar chaotisch ineinander purzelnde Tongruppen, die von harten Akkordschlägen und später von spannungsvollen Pausen unterbrochen werden, bestimmen den Prolog (♫ 0:34).
Im Gegensatz hierzu steht die Ruhe der weitgespannten Intervalle des Interludio (♫ 0:49), die aber bald in einem erregten Dialog der beiden Gitarren fortgeführt wird. Musikalisches Zitat aus Beethovens Eroica und beißende Ironie prägen den Grand Pas Des Deux (♫ 0:36). Der Prolog II nimmt Elemente des ersten Satzes wieder auf und gestaltet sie durch klangfarbliche und dynamische Kontraste (♫ 1:37). Fast von einem Finale kann man beim Scherzo di Bravura sprechen, das mit theatralischen Effekten und einer sensiblen Coda das Werk beschließt (♫ 0:42).

Eine eigenwillige kompositorische Handschrift zeichnet auch die in Wausau/Wisconsin USA geborene Komponistin Gloria Coates aus. 1986 erhielt Gloria Coates „Music On Open Strings“ neben Werken von Luciano Berio, Peter Maxwell Davis und Philip Glass die Internationale Koussevitzky-Auszeichnung.
Die Mikrointervalle als musikalischer Baustein eines Spiegelkanons stehen im Mittelpunkt ihrer ersten Gitarrenkomposition Lunar Loops. Die Skordatur (das Umstimmen) der leeren Saiten während des Spielens ist die ureigene, verblüffende Idee der Komponistin. Mittels der traditionellen Bottleneck-Technik werden die aus der Skordatur erzeugten Klänge zu einem packenden Höhepunkt geführt, der sich in einem aggressiven Percussionsteil entlädt, bevor der Kanon sich umkehrt (♫ 00:11).
Lunar Loops ist ein Auftragswerk von Ruth Fischer & Stephan Stiens und wurde beim "Münchner Gitarrenfestival 1989" vom Duo uraufgeführt.